im vergangenen jahr organisierte die kroatische designergesellschaft eine ausstellungstour mit dem titel “croatian holidays 2012”. mit arbeiten von zwei dutzend jungen kroatischen designern war/ist “croatian holiday 2012” eine sammlung zeitgenössischer interpretationen touristischer andenken, eine untersuchung des souvernirs als etwas jenseits traditioneller klischees und vorurteile. vor allem aber stellt croatian holiday nicht nur eine erkundung dar, wie kroatisches design und der kroatische tourismus sich gegenseitig stimulieren, sondern wie sie auch global für eine moderne, realistische kroatische identität werben können. “croatian holiday 2012″ wurde in mailand, wien, paris, sofia etc. gezeigt…
jetzt müssen wir sehr vorsichtig sein. sehr, sehr vorsichtig. berlins stadtmarketing-agentur berlin partner gmbh hat einen design-wettbewerb für objekte ausgerufen, die als souvenir verkauft werden können. die hoffnung dabei ist, dass man durch einen designergeführten “relaunch” des souvenirmarktes, durch erweiterung von touristenandenken jenseits traditioneller stereotypen und klischees, besuchern “einzigartige erinnerungsstücke” an die stadt anbieten kann und somit ein neues realistisches, modernes globales berlinbild fördert. der windzug, den ihr gerade verspürt, rührt von unserem ungläubigen kopfschütteln.
am ende ihres einführungsstatements sagen die organisatoren eine zukunft voraus, in der “…berliner bären, fernsehtürme und ampelmännchen die gesellschaft aufregender neuer kreationen von mitgliedern der berliner kreativszene bekommen”. matt von llot llov. miss monnipenni von adam + harborth. hammer von jung porzellan. spar von ulrich merz. beton lampe von komat. mr moustache mobile von jäll und tofta. lemontile von dörte ahlgrimm. ad infinitum. ad abundantiam. ad lucem… in berlin kann man sich vor lauter authentischer, origineller beispiele der vitalität der kreativszenen der stadt kaum bewegen. “einzigartige erinnerungsstücke” für jeden geschmack und jedes portemonnaie. der pariser galerist serge bensimon kam nach berlin und brachte die ausstellung berlin 2.0 im gepäck mit nach hause. viele berliner produktdesigner haben zur eigenproduktion zumindest kleinerer artikel gewechselt oder sie sind dabei, es zu tun. modefirmen sind seit langer zeit ansässig. nicht zu vergessen die vielen originellen und anspruchsvollen fotografen, grafikdesigner und verleger überall in den bezirken. und hat da jemand gerade „schmuck“ gesagt?
wenn es denn nur in berlin eine art von einrichtung für ökonomische entwicklung und standortmarketing gäbe, die sich interessante und kreative wege ausdenken würde, wie man es den berlinbesuchern schmackhaft machen könnte, die kreativszenen der stadt zu erkunden, praktizierende designer kennen zu lernen, wie man die vielfalt und eigenart jenseits der reizlosen touristenfallen fördert – oder einfach nur shops an wichtigen ecken der stadt einrichten würde, die sachen „made in berlin by berlin designers“ verkaufen… zugegeben, die sachen in solchen läden würde vielleicht kein niedliches „sei berlin“-logo auf der verpackung haben. aber sie würden der kreativen gemeinschaft bedeutend mehr nützen als noch ein designwettbewerb.
“croatian holiday 2012″ gelang als projekt, weil es nicht die realisierung kommerzieller produkte zum ziel hatte, sondern vielmehr das verhältnis zwischen der landesidentität im verständnis seiner bewohner und jener im verständnis seiner besucher erforschen wollte. das eine oder andere kommerzielle produkt wird hoffentlich aus dem projekt resultieren – aber wird es nicht in irgendwelche touristenläden schaffen. weil touristen designobjekte gleichgültig sind. touristen wollen berliner bären, ampelmännchen-t-shirts, fernsehtürme und mauerstücke. jüngere touristen wollen drei tage lang im berghain tanzen und dann hoffen sie, eine club-mate-flasche am zoll in schönefeld vorbei nach hause schmuggeln zu können. touristen wollen stereotypen. seit die ersten viktorianischen engländer aufbrachen, um die erhabenheit der schweizer alpen zu bewundern, war ein teil der gesamten daseinsberechtigung des tourismus, einem vorgegebenen archetypus zu entsprechen. touristen müssen souvenirs nach hause mitbringen, die andere als bestätigung des erlebten anerkennen. und der hässliche rechtsstreit über die rechte am ampelmännchen belegt die profitabilität der touristischen stereotypen. man kann nicht, nur weil man ein paar objekte von einem designer hat, den souvernirmarkt relaunchen.
was man hingegen tun kann ist, sicher zu stellen, dass diejenigen besucher, die an der aktuellen kultur der stadt interessiert sind, über die faden “insider-tipps” in ihren reiseführern hinausgelangen und jene orte, designer, produzenten – und produkte – finden, die sie interessieren und inspirieren. nicht zuletzt weil man dann nicht nur das potenzial hat, langfristige stammkunden-beziehungen zu schaffen, sondern auch werbung durch mundpropaganda. und das erreicht man nicht durch einen designwettbewerb. und bestimmt nicht durch einen designwettbewerb, der in keinen größeren, zusammenhängenden plan eingebunden ist. allein schon der umstand, dass es keine feste zusage gibt, die gewinnerdesigns in produktion zu bringen, zeigt die täuschung im manöver. denn wenn die gewinnerdesigns nicht produziert werden, nicht zum verkauf angeboten und nicht gekauft werden – dann ist das ganze projekt ein schuss in den ofen. da sein bekundetes ziel ist, besuchern designobjekte anzubieten.
und angesichts der expertenkompetenz, die berlin partner um sich versammelt hat, um den wettbewerb zu unterstützen, fragt man sich wirklich, wieso es der gmbh eigentlich am mut gebricht, den gewinnern produktion und vertrieb zu garantieren – und anschließend alle im ärmel befindlichen ässe auszuspielen, den produkten zum erfolg zu verhelfen. wie es die toten hosen zweifellos formulieren würden, nur zur klärung und damit wir uns richtig verstehen: wir wissen, dass die berlin partner eine menge gute sachen macht. und wir stellen keinesfalls die organisation als solche in frage. lediglich die entscheidnug, einen designwettbewerb zu veranstalten, der, soweit wir sehen können, keinerlei funktion hat, und bei dem die möglichen langfristigen vorteile der finanziellen und materiellen investitionen bestenfalls unklar sind.
der “trenntmöbel gesucht!”-wettbewerb von 2011 beispielsweise war in zwei wesentlichen punkten anders. erstens wurden die teilnehmenden designstudios für die entwicklung ihrer projekte bezahlt, zumindest in der zweiten phase. bei „deine idee für berlin“ arbeiten die kreativen bei der ideenentwicklung auf eigene kosten in der hoffnung, unter die drei glücklichen bargeldpreisträger zu kommen. oder dass zumindest jemand die objekte in der austellung sieht und in produktion bringt. und zweitens ging es bei “trenntmöbel gesucht!” genau so sehr um die förderung der privaten mülltrennung wie um die suche nach einem produkt. der wettbewerb diente als vehikel, ein ansonsten banales thema interessant zu machen. dass ein hübsches und kommerziell sinnvolles produkt wie new order dabei herauskam, ist fantastisch, war aber keine voraussetzung für den gesamterfolg der initiative.
bei “deine idee für berlin” erwarten wir viel trara um die für september geplante ausstellung und wir stellen uns auf fotos der „verrückteren“ projekte in unzähligen blogs ein. „typisch berlin!” werden die blogger kommentieren, oder “immer provokativ und unkonventionell. gibt es eine kreativere stadt in europa?”… und das wird dann als beleg für den erfolg des wettbewerbs präsentiert werden. aber wie gesagt, ist das bekundete ziel, produkte wirklich an die touristen zu bringen. und dafür muss man erst einmal etwas herstellen. und dann vertreiben. und vermarkten. wenn man hingegen einfach flächendeckende pr für die berliner designszene machen will, ist ein souvenir-design-wettbewerb nicht der beste ansatz.

die ehemalige dmy galerie im stilwerk berlin. ein hervorragendes beispiel dafür, wie schwer es ein kann, berliner designobjekte zu verkaufen.
jüngste zahlen zeigen, dass berlin im jahr 2012 etwa 11 millionen besucher hatte. es wäre natürlich fantastisch, wenn selbst nur ein paar prozent davon ihr geld für berliner design ausgeben und damit nicht nur lokale designer unterstützen, sondern auch die botschaft von berlins kreativpotenzial verbreiten würden. es gibt mehr als genug punkte, an denen eine kampagne anknüpfen könnte. reiseveranstalter könnten dazu ermutigt werden, ihren besuchern die lange nacht der designstudios zu zeigen, museen dazu, ausstattungen und inventar von berliner designern zu verwenden, hotels dazu, informationen zu ateliers und werkstätten in ihrer nähe anzubieten und die durch das internet eröffneten möglichkeiten des guerilla-marketings sind fast zu viele, um sie aufzuzählen…
man könnte auch in die offensive gehen. 1995 gründete z.b. die wiener handelskammer das unternehmen „wien products“, das jedes jahr mit ausgewählten wiener herstellern zusammenarbeitet, um eine serie von produkten von in der stadt ansässigen designern herzustellen. die gesamte serie wird anschließend von der wiener tourismusbehörde tatkräftig beworben und ist überall erhältlich, wo man touristen treffen kann. jawohl, mehr als nur ein hauch von exklusivität umgibt die produzenten, und nein, die sachen haben keine preise, die sich jedermann leisten kann – aber die designer sehen, dass ihre produkte verwirklicht werden, die hersteller werden unterstützt und wiens kreativität erhält eine sichtbare kommerzielle bühne. letzlich kann die förderung von kreativität durch tourismus immer nur teil einer größeren strategie sein, ist aber definitiv ein erforschungswerter zweig. um erfolg zu haben, müssen die angestoßenen projekte allerdings innovativ sein, also kreativ. sei berlin. sozusagen.
näheres zu “deine idee für berlin” gibt’s unter: www.be.berlin.de/designcompetition